Erhöhtes CED-Risiko durch Einnahme von Antibiotika

London 1928: Der Bakteriologe Alexander Fleming kehrte nach seinem Urlaub ins Labor zurück und machte eine bahnbrechende Entdeckung. Ein Pilz wuchs in einer Schale, in der sich eigentlich nur Bakterien vermehren sollten – doch ringsum den Pilz war keine Spur mehr von den Bakterien. Der Wissenschaftler schlussfolgerte, dass der Pilz das Zellwachstum der Bakterien hemmt. Fleming isolierte den Pilz, ordnete ihn der Gattung Penicillium zu und gewann aus ihm einen Extrakt, den er Penicillin nannte.1 Aus dieser zufälligen Entdeckung war einer der bedeutendsten Fortschritte der Medizin im 20. Jahrhundert geboren: Antibiotika.2

Infektionskrankheiten wie Lungen- oder Blasenentzündungen werden durch verschiedene Bakterien ausgelöst. Mit Hilfe von Antibiotika können diese Krankheiten wirksam behandelt werden: Wie der Pilz in Flemings Bakterienschale, hemmen die Arzneimittel das Zellwachstum oder töten die Krankheitserreger ab, indem sie u. a. in den Stoffwechsel der Bakterien eingreifen oder deren Zellwände zerstören. Doch nicht jedes Antibiotikum wirkt bei allen Bakterien: Je nach Krankheitserreger stehen mittlerweile verschiedene Medikamente zur Verfügung, wobei sogenannte Breitband-Antibiotika gegen verschiedene Bakterien wirksam sind.2 Auch im Rahmen der Behandlung deiner chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) kann auf sie zurückgegriffen werden – in der Leitlinie zur Colitis ulcerosa werden Antibiotika z. B. als Primärtherapie bei einer akuten Pouchitis empfohlen.3 Was eine Pouchitis ist und welche weiteren Behandlungsmöglichkeiten es dafür gibt erklären wir in unserem Artikel Schwerer Colitis ulcerosa-Verlauf: Mit einem ileoanalen Pouch Kontinenz und verbesserte Lebensqualität ermöglichen. Auch zur Verbesserung akuter Fistel-Beschwerden bei Morbus Crohn, sollen laut Leitlinie kurzfristig Antibiotika eingesetzt werden. Bei wiederholter antibiotischer Therapie verweist die Leitlinie jedoch auf mögliche negative Auswirkungen für das Mikrobiom – in diesem Zusammenhang stehen Antibiotika auch im Verdacht, ein potenzieller CED-Risikofaktor zu sein.4,5,6

Die Kehrseite von Antibiotika 

Dein gesamter Körper wird von verschiedenen Mikroorganismen besiedelt – insbesondere Haut und Darm bieten u. a. Bakterien einen Lebensraum.7 Wenn du mehr über das Mikrobiom im Zusammenhang mit deiner CED erfahren möchtest, schau doch einmal in unseren Beitrag Kleines Universum mit großer Bedeutung: Das Mikrobiom rein. Antibiotika schaden nicht nur den „schlechten“ Bakterien, die Krankheiten auslösen: Auch nützliche Mikroorganismen können in ihrem Wachstum gehemmt oder getötet werden, wodurch die Darmflora – also die Zusammensetzung aller Mikroorganismen im Darm – aus dem Gleichgewicht gerät. Üblicherweise kann sich der Darm einige Monate nach Antibiotika-Einnahme wieder weitestgehend erholen.8 Doch häufige Antibiotikaverschreibungen stehen womöglich mit einem erhöhten CED-Risiko im Zusammenhang. Insbesondere bei Kindern gibt es Hinweise, dass Antibiotika zu den chronischen Entzündungen im Darm führen können.6 Um zu untersuchen, ob auch bei Erwachsenen eine solche Verbindung bestehen könnte, wurden CED-Betroffene und Personen ohne CED in einer schwedischen Studie hinsichtlich ihrer Antibiotika-Einnahme verglichen. Hier zeigte sich bei Personen, die zuvor schon einmal Antibiotika eingenommen hatten, ein fast doppelt so hohes CED-Risiko im Vergleich zu Personen, denen noch nie ein Antibiotikum verschrieben wurde – insbesondere Breitband-Antibiotika waren mit einem erhöhten Risiko verbunden.5 Es handelte sich hier um eine sogenannte Fall-Kontroll-Studie: CED-Betroffene wurden mit Personen ohne CED verglichen und deren Krankheitsgeschichten analysiert, um Unterschiede in der Vergangenheit zu finden, die als mögliche Risikofaktoren für die CED in Frage kommen könnten. Bei einer solchen Fall-Kontroll-Studie kann also ein kausaler Zusammenhang nicht eindeutig geprüft werden. Zudem müssen die Beobachtungen der Studie noch durch weitere Analysen gestützt bzw. der Einfluss von Antibiotika auf die CED-Entwicklung genauer untersucht werden – eine einzelne Studie ist hier nicht ausreichend als Beweis. 

Gefahr Antibiotikaresistenz

Von Antibiotikaresistenzen hast du sicherlich schon gehört: Bakterien können Resistenzgene entwickeln, die Informationen darüber enthalten, wie sie sich gegenüber Antibiotika zur Wehr setzen. So bilden sie z. B. bestimmte Enzyme, welche die Antibiotika aufspalten und so unwirksam machen. Diese Resistenzgene liegen als sogenanntes Plasmid im Zellinneren der Bakterien vor und können als mobiles Element von einem zum nächsten Bakterium weitergegeben werden – so können sich Resistenzen schnell unter den Bakterien verbreiten. Werden Antibiotika zu häufig, unnötigerweise oder nicht korrekt eingesetzt, kann das Resistenzrisiko steigen. Was kannst du also tun, um die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung zu verringern? Bei dem Gebrauch von Antibiotika gilt „So oft wie nötig, so selten wie möglich“. Frage also im Zweifel deine behandelnden Ärzt*innen, ob das Antibiotikum wirklich notwendig ist. Halte dich bitte auch unbedingt an die Empfehlungen zur Einnahme: Einnahmezeit, -dauer und -dosierung solltest du genau beachten.

Sicherlich hast du in deinem Leben schon einmal Antibiotika eingenommen bzw. wirst sie noch einmal einnehmen. Mach dir keine Sorgen – Antibiotika stehen uns zum Glück als effektive Behandlungsmöglichkeiten von vielen Erkrankungen zur Verfügung. Besprich am besten mit deinem*r Gastroenterolog*in, ob der Antibiotika-Einsatz sich mit deiner aktuellen CED-Behandlung verträgt. 

Patientenrecht Kompakt

Patientenrecht kompakt (Teil 4): Krankheit contra Karriere

Patientenrechte dienen dem Schutz des Patienten. Dies gilt nicht nur für den Erhalt von Gesundheitsleistungen zum Schutz der Gesundheit des Patienten, sondern auch für die Sicherung des Lebensunterhalts im Krankheitsfall. Gerade bei schwerwiegenden und chronischen Erkrankungen, wie etwa den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), sind Betroffene im Falle eines Ausfalls in Ausbildung oder Beruf häufig auf eine rechtliche und finanzielle Absicherung angewiesen. In diesem Teil des Spezials „Patientenrecht kompakt“ möchten wir dir daher hilfreiche Informationen zu diesem wichtigen Thema liefern.

CED als Eltern

Elternsein #TrotzCED – Mamasein mit Colitis ulcerosa

Im zweiten Teil der Reihe „Elternsein #TrotzCED“ betrachten wir vor allem das familiäre Umfeld der Protagonistin dieses Artikels Ellen. Von ihr wollten wir erfahren, wie ihre Tochter mit ihrer Erkrankung umgeht und wie sie sie dabei unterstützt. Ellen ist Mutter und ist von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) betroffen. Nach der Geburt ihrer Tochter, erhielt sie die Diagnose Colitis ulcerosa. Darauf folgten ein mehrjähriger Schub, diverse Krankenhausaufenthalte und die Entfernung des Dickdarms.

„Kollegen, ich muss euch was sagen.“ – Offenheit am Arbeitsplatz

„Unsichtbare Erkrankungen“, dazu zählen auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, sind für Außenstehende oftmals nicht auf den ersten (oder zweiten) Blick erkennbar. Nichtsdestoweniger nimmt CED einen großen Einfluss auf das alltägliche Leben von Betroffenen. Davon kann das Berufsleben natürlich nicht ausgeklammert werden. Gerade in einer Schubphase kann es beispielsweise zu vermehrten Krankheitstagen kommen. Eine zusätzliche Belastung kann dabei entstehen, wenn Kollegen*innen und Arbeitgeber*innen nicht über den Hintergrund, also deine CED, Bescheid wissen.