Komplementärmedizinische Behandlung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Welche komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden stehen in der Therapie des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa zur Verfügung?
Prof. Seiderer-Nack: Neben der klassischen Schulmedizin mit medikamentösen und operativen Therapieverfahren wünschen viele Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa auch komplementärmedizinische Behandlungsmethoden, die deine Beschwerden bessern und die Entzündung des Darmes lindern können. Zu den bekanntesten Verfahren gehören beispielsweise die Naturheilverfahren, die traditionelle chinesische Medizin (TCM), die Ernährungstherapie, die Homöopathie sowie die Anwendung von Entspannungsverfahren. Auch das Thema Mikrobiom und Sanierung der Darmflora durch Gabe von Probiotika wird aktuell viel diskutiert. Viele dieser Behandlungsformen haben bei einzelnen Patienten individuell gute Wirkungen gezeigt, wurden aber in Form von klinischen Studien noch nicht ausreichend untersucht, so dass meist keine allgemeingültigen Therapieempfehlungen abgeleitet werden können*. Für den einzelnen Patienten können diese Therapieverfahren jedoch positiven Einfluss auf seine Beschwerden und sein Wohlbefinden sowie die Krankheitsbewältigung haben. Wichtig ist dabei jedoch, komplementärmedizinische Verfahren – wie der Name schon sagt – als Ergänzung in einem umfassenden Therapiekonzept zu sehen und nicht als alleinige „Alternative“ zur schulmedizinischen Therapie. Sprich mit deinem Arzt über deinen Wunsch nach einer komplementärmedizinischen Behandlung und lass dich zu den für Ihren Krankheitsverlauf passenden Möglichkeiten beraten.
*Anmerkung der Redaktion: Bei einer komplementärmedizinischen Behandlung ist generell folgendes zu beachten:
- die Dosis der Wirkstoffe ist nicht immer konstant bzw. angegeben
- die Wechsel- u. Nebenwirkungen sind oftmals nicht untersucht
- Angaben der Inhaltsstoffe sind nicht immer vorhanden
- Arzneimittel unterliegen durch das Zulassungsverfahren deutlich strengeren Anforderungen
Welche Möglichkeiten bietet beispielsweise die Anwendung von naturheilkundlichen Wirkstoffen?
In der naturheilkundlichen Medizin spielen beispielsweise Pflanzenstoffe und deren anti-entzündliche Wirkung eine wichtige Rolle – hier gibt es mit pflanzlichen Stoffen wie Weihrauch, Myrrhe oder Gelbwurz gute Erfahrungen bei CED-Patienten (Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung).
Weihrauch wird seit vielen Jahrhunderten bei chronischen Entzündungen eingesetzt. Die im Harz der Weihrauchrinde enthaltenen Boswelliasäuren (Boswellia serrata) besitzen entzündungshemmende Eigenschaften, die auch bei Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa in einigen Studien vielversprechende Wirkung gezeigt haben. Ebenso wie Weihrauch gehört auch die Myrrhe zur Pflanzenfamilie der Weihrauchbaumgewächse (Boswelliaceae) und zeigt einen positiven Effekt auf chronisch entzündliche Prozesse. Studien konnten zeigen, dass bei Patienten mit Colitis ulcerosa eine Kombination der pflanzlichen Arzneimittel Myrrhe, Kaffeekohle und Kamille in Tablettenform genauso wirksam und verträglich in der Remissionserhaltung sein kann wie ein Medikament aus der Gruppe der Aminosalizylate. Ähnliche anti-entzündliche Eigenschaften wie bei Weihrauch und Myrrhe werden auch der sog. Gelbwurz (Curcuma), einem in Asien beliebten Gewürz, zugesprochen. Auch hier zeigte sich in einer Studie an Patienten mit Colitis ulcerosa eine Senkung der entzündlichen Botenstoffe im Körper.
Wann können komplementärmedizinische Verfahren bei CED eingesetzt werden und wann besser nicht?
Für Patienten mit leichterem bis mittelschwerem Verlauf kann durch komplementärmedizinische Verfahren eine Verbesserung der Beschwerdesymptomatik (Stuhlfrequenz, Schmerzen, Allgemeinbefinden) erreicht werden, insbesondere auch in der Kombination mit Entspannungsverfahren. Auch eine ernährungsmedizinische Beratung und Therapie kann Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eine Erleichterung im Alltag bringen.
Komplementärmedizinische Verfahren sind jedoch kein Ersatz für eine Behandlung mit Immunsuppressiva oder Biologika, wenn die Schwere des Krankheitsverlaufes dies erfordert. Auch bei Komplikationen wie Stenosen oder Fisteln sind erfahrene Gastroenterologen und Chirurgen gefragt und nicht der Kräutertee. Grundsätzlich solltest Du dich daher immer mit Ihrem behandelnden Arzt beraten und gemeinsam die Chancen und Risiken einer komplementärmedizinischen Behandlung abwägen.
Soll ich als CED-Patient Probiotika einnehmen?
Probiotika sind keine Wunderwaffe und nicht alles, was auf dem Joghurtdeckel oder den Nahrungsergänzungsmitteln versprochen wird, ist für bare Münze zu nehmen. Aber: Die intensive Forschung zur Rolle der Darmbakterien für unsere Gesundheit und die Entstehung von Entzündungsprozessen im Darm hat in den letzten Jahren deutlich gezeigt, wie wichtig insbesondere für CED-Patienten das Thema Mikrobiom geworden ist. Daher kann es bei einzelnen Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa durchaus sinnvoll sein, ausgewählte Bakterienstämme in Form von Probiotika gezielt einzusetzen – beispielsweise bei Patienten mit einer Pouchitis oder nach einer Antibiotika-Gabe. Da Probiotika nicht gleich Probiotika sind und sich die einzelnen Bakterienstämme in ihrer Wirkung auch unterscheiden, ist daher eine gute Diagnostik und Beratung durch Ihren Arzt vorab erforderlich.
Professor Dr. med. Julia Seiderer-Nack
ist Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin in München. Sie hat zahlreiche wissenschaftlichen Studien und Bücher zum Thema chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Darmgesundheit veröffentlicht und organisiert regelmäßig Fortbildungen zu diesem Thema. Durch ihre Zusatzausbildungen auf dem Gebiet der Homöopathie, Traditionellen Chinesischen Medizin und Naturheilkunde hat sie in der Behandlung von CED-Patienten auch ganzheitliche Therapieformen im Blick.