Eigene Therapieziele kennen und besprechen
Wissen und Erkenntnisse in der Medizin nehmen rasant zu. Der medizinische Fortschritt führt zu einem immer besseren Verständnis von Erkrankungen und bildet die Grundlage für die Entwicklung von beispielsweise neuen Diagnosetechniken oder Therapien. Neue Therapieoptionen ermöglichen den Ärzten und Ärztinnen, Krankheiten besser kontrollieren zu können und Therapieziele entsprechend anzupassen. Speziell bei komplexen und anhaltend chronischen Erkrankungen wie den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist es für die Patient*innen ratsam, sich über neue medizinische Entwicklungen sowie ändernde Therapieoptionen und -ziele zu informieren.
Therapieziele orientieren sich an Leitlinienempfehlungen
Die auf Basis aktueller und wissenschaftlich belegter Erkenntnisse gültigen Therapiestandards und -ziele werden als Empfehlungen in medizinischen Behandlungsleitlinien festgehalten. Dein / e Gastroenterologe / in kann sich hierbei an den deutschen Leitlinien für Morbus Crohn („Diagnostik und Therapie des M. Crohn (MC)“) mit Stand vom August 2021 und Colitis ulcerosa (CU) mit Stand vom April 2021 orientieren.1,2 Zusätzlich stehen den Ärzt*innen noch weitere internationale Leitlinien zur Behandlung der CED zur Verfügung. Eine Übersicht der aktuellen CED-Leitlinien bietet die deutsche Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV e.V.).
Leitlinienempfehlungen helfen deinem / r behandelnden Arzt / Ärztin dabei zu entscheiden, welche Therapie für dich geeignet ist. Doch nur gemeinsam könnt ihr die für dich passenden Therapieziele definieren und eine entsprechende Therapie beginnen.
Therapieziele erreichen und wenn nötig anpassen
Bei der Wahl einer für dich geeigneten Therapie spielen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle, wie etwa die medizinische Einschätzung deines Arztes bzw. deiner Ärztin, die Art und Lokalisation deiner CED, der Krankheitsverlauf und das Stadium deiner CED, mögliche Unverträglichkeiten, Vortherapien oder begleitend von dir eingenommene Medikamente, aber auch insbesondere deine persönlichen Bedürfnisse.1,2 Wie sich kurz- und langfristige Therapieziele entsprechend deiner Bedürfnisse definieren und in Abstimmung mit deinem / r behandelnden Arzt / Ärztin erreichen lassen, erfährst du in unserem Artikel Shared Decision Making – mehr Eigenverantwortung in der CED-Therapie.
Im Rahmen des Therapieentscheids sollte dein Arzt bzw. deine Ärztin dich auch umfassend über mögliche Nebenwirkungen aufklären. So sollten aufgrund ihrer Nebenwirkungen Steroidtherapien nach Empfehlung der MC- und CU-Leitlinien nur kurzfristig und nicht dauerhaft eingesetzt werden.1-4 Im Wortlaut empfiehlt die deutsche MC-Leitlinie: „Bei [der] fehlenden remissionserhaltenden Wirkung von Steroiden und den bekannten schwerwiegenden Nebenwirkungen in der Langzeittherapie sollen systemische Steroide grundsätzlich nicht zur Remissionserhaltung eingesetzt werden“.1 Die CU-Leitlinie wiederum gibt an: „Das primäre Ziel der Colitis-ulcerosa-Therapie sind das rasche Erreichen einer klinischen Remission und die Bewahrung einer langfristigen steroidfreien klinischen und endoskopischen Remission.“2 Entsprechende Empfehlungen finden sich auch in internationalen Leitlinien sowie in der ergänzend für die Versorgung CED-Betroffener in der Covid-19-Pandemie erschienen deutschen Leitlinie.1,3,4
Eine Auswertung von Krankenkassendaten in Deutschland legt allerdings nahe, dass viele Betroffene einer CED auch dauerhaft mit Steroiden behandelt werden.5 In diesen Fällen könnte eine leitliniengemäße Anpassung der Therapieziele steroidfreie Remissionen ermöglichen und negative Auswirkungen einer anhaltenden Steroideinnahme vermeiden.5
Gemeinsam an einem Strang ziehen
Dein Gastroenterologe / deine Gastroenterologin ist dein / e Ansprechpartner*in der Wahl, wenn es um deine CED-Therapie geht. Er bzw. sie ist der / die Spezialist*in für alle medizinischen Themen rund um deine CED. Dies gilt es in Einklang zu bringen mit deinen persönlichen Erwartungen und Bedürfnissen, weshalb Therapieziele und entscheide nur in gemeinsamer Absprache bestimmt bzw. getroffen werden sollten. Hierbei solltest du so viele Fragen wie nötig stellen und deine eigenen Befürchtungen und Bedürfnisse äußern. Nur so hat dein Arzt bzw. deine Ärztin die Möglichkeit, mit dir gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um deine individuellen Therapieziele zu erreichen. Tipps, wie du dich auf dein Arztgespräch vorbereiten kannst, bietet dir zum Beispiel unser Selbsttest.
Quellen:
- Sturm A, et al. Aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des M. Crohn“ der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). 2021; AWMF-Registriernummer: 021-004.
- Kucharzik T, et al. Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa – Living Guideline: Überprüfung 2021; AWMF-Registriernummer: 021-009.
- Torres J, et al. ECCO Guidelines on Therapeutics in Crohn's Disease: Medical Treatment (ECCO Guideline/Consensus Paper). Journal of Crohn's and Colitis. 2020; 4–22.
- Stallmach A, et al. Addendum zu den S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Betreuung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in der COVID-19-Pandemie – offene Fragen und Antworten. Z Gastroenterol 2020; 58: 672–692.
- Bokemeyer B, et al. Indicators of active disease and steroid dependency in patients with inflammatory bowel diseases not treated with biologics in a German real-world-setting. Int J Col Dis. 2020; 35:1587–1598.