„CED – Nicht nur ein Fall für den Gastroenterologen“ – Tipps von der Spezialistin (Teil 2)
Frau Prof. Julia Seiderer-Nack, Internistin aus München, geht im nachfolgenden 2. Teil unserer kleinen Interview-Serie auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU), sowie auf das Thema Impfen ein.
Frage: CED ist eine komplexe Erkrankung, die oftmals eine interdisziplinäre Betreuung erfordert. Wie läuft das in Ihrer Praxis ab und mit welchen Spezialisten haben Sie Berührungspunkte?
Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Wir arbeiten u. a. mit Gastroenterologen, Gynäkologen, Rheumatologen und Dermatologen zusammen. Sehr häufig erfolgt ein Austausch mit Chirurgen bei Betroffenen von Morbus Crohn, die unter Fisteln leiden und bei denen z. B. abgewogen werden muss, ob eine Fadeneinlage in Kombination mit einer Biologika-Therapie angemessen ist. Eine Zusammenarbeit erfolgt auch dann, wenn die Gründe für häufige Abszesse geklärt werden müssen oder in den Fällen, wenn z. B. bei Betroffenen von Colitis ulcerosa über eine Pouch-OP entschieden werden soll. In diesen Situationen überweisen entweder unsere Patienten direkt zu unseren Kollegen oder holen uns Rat für diese Spezialbereiche ein, um die Therapie bestmöglich gestalten zu können."
Frage: Was ist bei jungen Erwachsenen besonders zu beachten?
Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: Abhängig vom Alter, in dem die Diagnosestellung erfolgt ist, müssen sich CED-Betroffene bereits in jungen Jahren mit ihrer Krankheit auseinandersetzen und Verantwortung dafür übernehmen. Unser Ziel ist es, aus jungen Erwachsenen mündige, informierte Betroffene werden zu lassen, die in die Therapie und Diagnostik miteinbezogen werden. Der interdisziplinäre Ansatz hilft, die Behandlung der Patientin / des Patienten langfristig und nachhaltig zu gestalten.“
Frage: Sollte „Impfen“, insbesondere die HPV-Impfung, auch ein Thema bei jungen Erwachsenen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sein?
Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Ja. Wir prüfen vor dem Beginn einer CED-Therapie bei den Betroffenen den Impfstatus. Denn bestimmte Impfstoffe, wie z. B. Lebendimpfstoffe, können nicht unter (jeder) Therapie verabreicht werden. Bei Totimpfstoffen kann der Impferfolg durch bestimmte bereits eingeleitete CED-Therapieformen vermindert sein.
Insgesamt können bei einer Durchsicht des Impfpasses bestehende Impflücken aufgedeckt und noch vor Therapiestart geschlossen werden. Das Thema „Impfen“ spielt aber auch bei der Besprechung von Verhütungsmethoden eine Rolle. Neben einem empfohlenen Schutz vor übertragbaren Krankheiten durch Kondome, weisen wir auch auf die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) hin. HPV gehört zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erregern. Das Robert-Koch Institut empfiehlt eine möglichst frühzeitige Impfung bis zum 17. Lebensjahr. Aber auch noch als junge Erwachsene können weibliche wie männliche CED-Betroffene im Einzelfall davon profitieren. Sie schützt vor den gefährlichsten HPV-Typen und senkt das Risiko, Krebs in Mund, Rachen, Gebärmutter, After oder Penis zu entwickeln.
Dies sollte, wie alle Themen, individuell mit dem behandelnden Arzt geklärt werden. Außerdem ist es einfach wichtig, das Thema Sexualität allgemein anzusprechen, damit es kein Tabuthema mit versteckten Ängsten und falscher Scham aufgrund der CED bleibt, sondern die jungen Erwachsenen lernen, dass auch dieses Thema eine wichtige Rolle für ihre Lebensqualität und ihr Wohlbefinden trotz Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa spielt.“
Vielen Dank Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack für dieses Gespräch.