Alkohol und CED

Ob Geburtstag, Hochzeit, Silvester oder nur der Feierabend: Es gibt viele Anlässe, zu denen Alkohol getrunken wird – und fast 85 % aller Menschen ab 18 Jahren in Deutschland trinken zumindest gelegentlich Alkohol.1 Der Genuss von Alkohol ist hierzulande in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert, obwohl gesundheitliche Folgen wie Lebererkrankungen und Entzündungen verschiedener Organe bei regelmäßigem und übermäßig hohem Alkoholkonsum bekannt sind.2 Auch der Darm kann beeinträchtigt werden, wenn Alkohol getrunken wird.2 Doch welche Auswirkungen hat Alkoholkonsum speziell auf die Entstehung und den Verlauf einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED)?

Alkohol: Ein Unruhestifter im Darm?

Ob der Konsum von Alkohol dazu beiträgt, dass sich eine CED, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, entwickelt, ist nicht eindeutig geklärt. Eine häufige Annahme unter Forscher*innen ist, dass hoher Alkoholkonsum das Mikrobiom modulieren und dadurch Entzündungen im Darm fördern kann.2,3 So deuten Studien darauf hin, dass Menschen mit schädlichem Alkoholkonsum und CED-Betroffene ähnliche Veränderungen im Darmmikrobiom aufweisen, die – so vermuten es manche Forscher*innen – die Entstehung einer CED begünstigen könnten.3-5 So hatten Menschen, die wegen zu hohen Alkoholkonsums im Krankenhaus behandelt werden mussten, in einer Studie ein erhöhtes Risiko, innerhalb von 10 Jahren eine CED zu entwickeln.4 Untersuchungen haben auch gezeigt: Das Darmmikrobiom gerät umso stärker aus dem Gleichgewicht, je mehr Alkohol getrunken wird.5 Eine Rolle spielt neuesten Erkenntnissen zufolge dabei nicht der Alkohol selbst, da dieser größtenteils in Mund und Magen absorbiert wird, sondern ein Stoffwechselprodukt, das von der Leber zurück in den Darm gelangt. Mehr über das Mikrobiom und seine Rolle bei CED findest du in unserem Beitrag Kleines Universum mit großer Bedeutung: Das Mikrobiom. Zudem kann Alkohol die Darmschleimhaut schädigen und dadurch zu einer veränderten Darmbarriere führen, die als mögliche Ursache für die Entstehung von CED, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, gilt.3 Das CED-Risiko hängt jedoch nicht nur davon ab, wie viel Alkohol getrunken wird, sondern welche Alkoholsorte konsumiert wird: Es gibt Hinweise darauf, dass Menschen, die in geringem Maße Rotwein konsumieren, ein niedrigeres CED-Risiko haben als diejenigen, die gar keinen Alkohol trinken.6 Bei Alkoholsorten wie Weißwein und anderen Spirituosen ist das Risiko für die Entstehung einer CED hingegen erhöht.6 Diese mögliche positive Wirkung des Rotweins ist jedoch nicht auf den Alkohol selbst zurückzuführen, sondern auf nichtalkoholische Bestandteile wie z. B. den Pflanzenstoff Resveratrol, der auch in roten Trauben und Blaubeeren vorkommt, und seine entzündungshemmenden Eigenschaften.3,6,7 Dennoch sollte auch Rotwein nicht ohne Bedenken getrunken werden, denn er steht auch im Zusammenhang mit einer veränderten Darmdurchlässigkeit und kann im Laufe der Zeit Entzündungen im Darm fördern.3

Die Wirkung von Alkohol auf deine CED

Die Wirkung von Alkohol auf den Darm ist besonders für CED-Betroffene relevant, auch wenn Menschen mit CED, wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Alkohol ganz unterschiedlich vertragen. Daher solltest du Alkohol möglichst vermeiden oder aber auf mögliche Reaktionen deiner CED achten, wenn du gelegentlich Alkohol trinken möchtest. Studien zeigen, dass bis zu 75 % der CED-Betroffenen nach dem Konsum von Alkohol von einer Verschlimmerung ihrer CED-Symptome berichten.4,8 Insbesondere hoher Alkoholkonsum kann zur Verstärkung der Entzündungsaktivität im Darm und damit vermehrt zu Schüben führen.3 Möglicherweise spielt es auch eine Rolle, was getrunken wird: Das Risiko für einen entzündlichen Schub bei Colitis ulcerosa kann auch dann erhöht sein, wenn vor allem alkoholische Getränke mit einem hohen Sulfit-Gehalt wie Wein und Bier getrunken werden.4 In einer Untersuchung berichteten Patient*innen mit Morbus Crohn vor allem dann über mehr Bauchschmerzen, wenn sie zuvor Mischgetränke oder andere Spirituosen mit einem hohen Zuckergehalt getrunken hatten.8 Da überrascht es nicht, dass Alkohol zu denjenigen Dingen zählt, die Patient*innen mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa am häufigsten vermeiden: Viele CED-Betroffene vermuten Alkohol als einen Auslöser, der die Symptome des Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa verschlimmern kann, und bis zu 60 % der Betroffenen verzichten häufig freiwillig auf Alkohol.8,9 Wichtig ist immer, dass du deinen Bauch im Blick behältst: Wenn du nach einem Glas Bier, Wein oder Sekt Darmbeschwerden oder gar verschlimmerte CED-Symptome hast, dann ist es ratsam, auf alkoholische Getränke zu verzichten. 

Besonders vorsichtig solltest du mit dem Konsum von Alkohol unbedingt dann sein, wenn du Medikamente zur Behandlung deiner CED einnimmst, denn bei vielen Medikamenten kommt es durch Alkohol zu Wechselwirkungen oder aber gar zu einem Verlust der Wirksamkeit.8 Wenn du dir unsicher bist, ob du gelegentlich ein Glas Wein trinken kannst, obwohl du eine medikamentöse CED-Therapie bekommst, solltest du dies mit deiner Ärztin bzw. deinem Arzt und deinem Behandlungsteam besprechen. 

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung werden zurzeit als maximal tolerierbare Alkoholzufuhr 10 g/Tag für gesunde Frauen und 20 g/Tag für gesunde Männer angesehen (entspricht z. B. ca. 0,5 l Bier). Diese Angaben sind allerdings Richtwerte und sollten nicht als Aufforderung verstanden werden, jeden Tag Alkohol zu trinken.10

Sportlich #TrotzCED? – Wie körperliche Bewegung sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderaten Sport pro Woche. Doch würde diese Regel auch für CED-Betroffene gelten? Bislang gibt es keine einheitliche Empfehlung. Vieles
spricht aber dafür, dass Sport eine positive Auswirkung auf das körperliche sowie mentale Wohlbefinden
haben kann.1 Wir wollten mehr darüber erfahren und haben mit André Vieth, Kraftsporttrainer und CEDBetroffener,
gesprochen, um nach seinen Erfahrungen und seinem Leben mit Sport #TrotzCED zu fragen.

„CED – Nicht nur ein Fall für den Gastroenterologen“ – Tipps von der Spezialistin (Teil 2)

Frau Prof. Julia Seiderer-Nack, Internistin aus München, geht im nachfolgenden 2. Teil unserer kleinen Interview-Serie auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU), sowie auf das Thema Impfen ein.

„Hormonelle Verhütung #TrotzCED“ – Tipps von der Spezialistin

Verhütung ist ein Thema, mit dem sich vor allem junge Frauen in besonderer Weise beschäftigen. Bei der großen Auswahl an Verhütungsmethoden ist es nicht ganz einfach, die richtige Wahl zu treffen. Wenn dann aufgrund einer Grunderkrankung wie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) weitere Aspekte beachtet werden müssen, ist das persönliche Gespräch mit dem*der Ärzt*n ein wichtiger Schritt. 

Das nachfolgende Interview mit Frau Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin und Professorin an der KSH München, hat den Schwerpunkt Verhütung bei CED. Rund 80 % ihrer Patient*innen, die sie in ihrer internistischen Praxis behandelt, leiden an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und können sich in der Spezialsprechstunde beraten lassen.

Frage: Liebe Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack, wie alt sind Ihre Patientinnen und Patienten im Mittel, die Sie in Ihrer Praxis betreuen und welche Fragen beschäftigen Ihre Patient*innen?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Wir haben eine gemischte Altersstruktur: Zu uns kommen viele junge Frauen (und Männer) mit CED im Alter von 16-30 Jahren mit Fragen zu Verhütung, Sexualität und Kinderwunsch; ebenso gibt es aber auch ältere Patient*innen mit CED, die unsere Praxis wegen des ganzheitlichen Behandlungsansatzes, z. B. bei Wechseljahresbeschwerden, aufsuchen. Konkret bedeutet dies, dass wir neben Diagnostik und schulmedizinischer Therapie auch die Themen Ernährungsmedizin, Naturheilkunde und Ansätze der traditionellen chinesischen Medizin in die Behandlung der CED einfließen lassen.

Frage: Was sollten Patientinnen bei der Wahl eines Verhütungsmittels beachten? 

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Nicht jedes Verhütungsmittel ist für jede Patientin geeignet. Die Pille ist eines der sichersten Verhütungsmittel und die einfache Anwendung sehen gerade junge Patientinnen als Vorteil. Der Wirkstoff wird oral eingenommen und gelangt dann über den Dünndarm in den Blutkreislauf, wodurch die empfängnisverhütende Wirkung gegeben ist. Bei CED-Betroffenen gibt es aber einige Besonderheiten, die beachtet werden müssen: Durchfall, eine beschleunigte Magenpassage, das Befallsmuster der Erkrankung und die Stärke der Entzündung können die Wirkstoffaufnahme reduzieren oder verhindern und so die Wirkung der Pille mindern bzw. sie wirkungslos machen. Inwieweit die Pille für eine CED-Betroffene geeignet ist, muss individuell entschieden werden und zusätzlich mit dem behandelnden Gynäkologen bzw. der behandelnden Gynäkologin geklärt werden. Außerdem besteht, wie auch bei anderen hormonellen Verhütungsmethoden die Möglichkeit einer Thrombose.“

Frage: Und wie sieht es mit Ovulationshemmern in Form eines Rings oder Pflasters aus?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann für manche Patientinnen eine gute Alternative sein. Generell sollte man, wie gerade schon angesprochen, bei hormonellen Verhütungsmitteln jedoch beachten, dass diese mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen können. Auch für CED-Betroffene kann aufgrund ihrer Grunderkrankung ein erhöhtes Thromboserisiko bestehen.“ 

Frage: Das klingt, als würde die CED-Therapie die Wahl des Verhütungsmittels einschränken…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann man nicht allgemein formulieren. Bei der medikamentösen Behandlung einer Grunderkrankung wie CED, muss immer berücksichtigt werden, dass der verabreichte Wirkstoff zur Therapie der CED bestimmte Organe beeinträchtigen kann. Ein Verhütungsmittel kann unter Umständen ein Organ wie die Leber zusätzlich belasten oder sich negativ auf die Knochendichte auswirken. Das alles spielt bei der Wahl des Verhütungsmittels eine Rolle und muss bei jeder Patientin individuell berücksichtigt werden. Insbesondere wenn die hormonelle Verhütung in einer bestimmten Krankheitsphase zu einer zusätzlichen Belastung wird, ist es wichtig, den Patientinnen Alternativen aufzuzeigen. In jedem Fall sollten auch sexuell übertragbare Krankheiten und der Schutz vor ihnen Teil des Gesprächs sein.“

Frage: Bei der Verhütung sollten ja beide Partner ihren Anteil haben…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das stimmt. Eine Beratung über Verhütungsmethoden sollte als eine partnerschaftliche Aufgabe gesehen und die Entscheidung über die Art der Methoden von beiden Partnern gemeinschaftlich getroffen werden.“

Vielen Dank Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack für dieses Gespräch.