CED kennt kein Alter: Herausforderung CED-Diagnose

Weltweit nehmen die Fälle chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) immer weiter zu, wobei die Anzahl der Betroffenen von Land zu Land stark variiert.1,2 Insbesondere in Europa und Nordamerika sind viele Menschen von den Darmerkrankungen Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) betroffen, doch auch Länder z. B. in Südamerika und Afrika verzeichnen zunehmend mehr CED-Patient*innen.2 Typischerweise werden die Darmerkrankungen zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr diagnostiziert, wodurch junge Erwachsene vor verschiedene Herausforderungen gestellt werden können.3 Eine CED ist jedoch nicht auf eine Altersgruppe beschränkt: Einerseits werden Betroffene, bei denen die CED bereits in jungen Jahren auftritt, mit der chronischen Erkrankung älter. Andererseits kommt es auch vor, dass die Erstdiagnose erst in einer späteren Lebensphase gestellt wird, was Betroffene vor ein ganz anderes Spektrum von Herausforderungen stellt.4 

Herausforderung CED-Diagnose im jungen Erwachsenenalter

Mit Beginn des Erwachsenenalters stehen viele vor wichtigen Entscheidungen: Welche Ausbildung soll ich wählen? Welches Studium passt zu mir? Welchen Beruf möchte ich ausüben? Eine chronische Erkrankung wie MC oder CU kann diese Entscheidungen beeinflussen – z. B. wenn der Wunschberuf körperlich anspruchsvoll ist und sich die CED-Patient*innen den Herausforderungen aufgrund ihrer Erkrankung nicht gewachsen fühlen. Auch wenn Betroffene bereits im Arbeitsleben angekommen sind, kann die CED-Diagnose einiges verändern: Die körperlichen Symptome der Erkrankung können die Leistungsfähigkeit im Berufsalltag beeinträchtigen.5 Da MC und CU „unsichtbare Erkrankungen“ sind, kann das häufige Fehlen für Kolleg*innen womöglich nicht nachvollziehbar sein. Zwar bist du rechtlich nicht dazu verpflichtet deine*n Arbeitgeber*in über deine Erkrankung zu informieren, doch könnte dich die Offenheit am Arbeitsplatz entlasten. Mehr dazu, wie du deine CED am Arbeitsplatz ansprechen kannst, erfährst du in unserem Artikel „Kollegen, ich muss euch was sagen.“ – Offenheit am Arbeitsplatz

Auch Fragen zu Sexualität, Fruchtbarkeit und Schwangerschaft können junge CED-Betroffene beschäftigen. Da eine Schwangerschaft deine CED negativ beeinflussen kann, solltest du dein Behandlungsteam bereits im Vorhinein über deine Familienplanung informieren.6 Darüber hinaus können CED-Betroffene womöglich die Sorge haben, dass sie als chronisch Erkrankte den Herausforderungen nicht gewachsen sind, die das Elternsein mit sich bringt. Wie man trotz einer CED ein erfülltes Familienleben führen kann, zeigt die Geschichte eines CU-Betroffenen in unserem Beitrag „Ich habe es nie zugelassen, dass mein Morbus Crohn mein Familienleben allzu sehr beeinträchtigt“.

Späte Diagnose: CED-Patient*innen ab 60 Jahren

Falls du dachtest, dass eine CED nur im jungen Erwachsenenalter erstmals auftritt, wird es dich sicher überraschen, dass 10-15 % der CED-Patient*innen ihre Diagnose erst spät erhalten – d. h. ab einem Alter von 60 Jahren. Dabei unterscheidet sich die Erkrankung in einigen Punkten von einer CED bei jüngeren Betroffenen. Dies fängt bereits bei der Diagnosestellung an: 4-mal häufiger erhalten ältere CED-Patient*innen zunächst eine Fehldiagnose. Damit können bis zu 6 Jahre ab den ersten Krankheitszeichen vergehen, bis die CED-Diagnose gestellt wird – also 3-mal länger als bei jüngeren Patient*innen. Auch das Erscheinungsbild der CED kann ein anderes sein: Bei älteren CU-Patient*innen ist häufiger die linke Seite des Dickdarms betroffen, während sich bei betagten MC-Patient*innen die Entzündungen häufiger im Kolon befinden – also im Hauptteil des Dickdarms. Auch bei der Wahl der CED-Therapie kommen verschiedene Faktoren im Alter hinzu, die berücksichtigt werden müssen: Ein hohes Alter kann u. a. mit Vorerkrankungen, einem schlechteren Allgemeinzustand und einem erhöhten Thrombose- und Infektionsrisiko einhergehen.4 

Umgang mit der CED

Unabhängig davon wie alt du bei der Erstdiagnose deiner CED warst bzw. bist, die chronische Erkrankung wird dich für dein Leben lang begleiten. Die Erkrankung kann dabei nicht nur mit körperlichen, sondern auch mit psychischen Symptomen wie Angst und Depression einhergehen.7 Damit sich deine CED langfristig nicht negativ auf deine Lebensqualität auswirkt, ist es wichtig, dass du einen für dich individuell passenden Umgang mit der Darmerkrankung findest. Falls du hier Unterstützung benötigst, sprich deine*n behandelnde*n Gastroenterolog*in an. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr hilfreich sein, um Anregungen von ihnen zu erhalten. Tipps von CED-Betroffenen für eine verbesserte Lebensqualität findest du in unserem Beitrag Austausch auf Augenhöhe – Die Bedeutung von Kommunikation in der CED-Behandlung

Sportlich #TrotzCED? – Wie körperliche Bewegung sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderaten Sport pro Woche. Doch würde diese Regel auch für CED-Betroffene gelten? Bislang gibt es keine einheitliche Empfehlung. Vieles
spricht aber dafür, dass Sport eine positive Auswirkung auf das körperliche sowie mentale Wohlbefinden
haben kann.1 Wir wollten mehr darüber erfahren und haben mit André Vieth, Kraftsporttrainer und CEDBetroffener,
gesprochen, um nach seinen Erfahrungen und seinem Leben mit Sport #TrotzCED zu fragen.

„CED – Nicht nur ein Fall für den Gastroenterologen“ – Tipps von der Spezialistin (Teil 2)

Frau Prof. Julia Seiderer-Nack, Internistin aus München, geht im nachfolgenden 2. Teil unserer kleinen Interview-Serie auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU), sowie auf das Thema Impfen ein.

„Hormonelle Verhütung #TrotzCED“ – Tipps von der Spezialistin

Verhütung ist ein Thema, mit dem sich vor allem junge Frauen in besonderer Weise beschäftigen. Bei der großen Auswahl an Verhütungsmethoden ist es nicht ganz einfach, die richtige Wahl zu treffen. Wenn dann aufgrund einer Grunderkrankung wie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) weitere Aspekte beachtet werden müssen, ist das persönliche Gespräch mit dem*der Ärzt*n ein wichtiger Schritt. 

Das nachfolgende Interview mit Frau Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin und Professorin an der KSH München, hat den Schwerpunkt Verhütung bei CED. Rund 80 % ihrer Patient*innen, die sie in ihrer internistischen Praxis behandelt, leiden an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und können sich in der Spezialsprechstunde beraten lassen.

Frage: Liebe Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack, wie alt sind Ihre Patientinnen und Patienten im Mittel, die Sie in Ihrer Praxis betreuen und welche Fragen beschäftigen Ihre Patient*innen?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Wir haben eine gemischte Altersstruktur: Zu uns kommen viele junge Frauen (und Männer) mit CED im Alter von 16-30 Jahren mit Fragen zu Verhütung, Sexualität und Kinderwunsch; ebenso gibt es aber auch ältere Patient*innen mit CED, die unsere Praxis wegen des ganzheitlichen Behandlungsansatzes, z. B. bei Wechseljahresbeschwerden, aufsuchen. Konkret bedeutet dies, dass wir neben Diagnostik und schulmedizinischer Therapie auch die Themen Ernährungsmedizin, Naturheilkunde und Ansätze der traditionellen chinesischen Medizin in die Behandlung der CED einfließen lassen.

Frage: Was sollten Patientinnen bei der Wahl eines Verhütungsmittels beachten? 

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Nicht jedes Verhütungsmittel ist für jede Patientin geeignet. Die Pille ist eines der sichersten Verhütungsmittel und die einfache Anwendung sehen gerade junge Patientinnen als Vorteil. Der Wirkstoff wird oral eingenommen und gelangt dann über den Dünndarm in den Blutkreislauf, wodurch die empfängnisverhütende Wirkung gegeben ist. Bei CED-Betroffenen gibt es aber einige Besonderheiten, die beachtet werden müssen: Durchfall, eine beschleunigte Magenpassage, das Befallsmuster der Erkrankung und die Stärke der Entzündung können die Wirkstoffaufnahme reduzieren oder verhindern und so die Wirkung der Pille mindern bzw. sie wirkungslos machen. Inwieweit die Pille für eine CED-Betroffene geeignet ist, muss individuell entschieden werden und zusätzlich mit dem behandelnden Gynäkologen bzw. der behandelnden Gynäkologin geklärt werden. Außerdem besteht, wie auch bei anderen hormonellen Verhütungsmethoden die Möglichkeit einer Thrombose.“

Frage: Und wie sieht es mit Ovulationshemmern in Form eines Rings oder Pflasters aus?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann für manche Patientinnen eine gute Alternative sein. Generell sollte man, wie gerade schon angesprochen, bei hormonellen Verhütungsmitteln jedoch beachten, dass diese mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen können. Auch für CED-Betroffene kann aufgrund ihrer Grunderkrankung ein erhöhtes Thromboserisiko bestehen.“ 

Frage: Das klingt, als würde die CED-Therapie die Wahl des Verhütungsmittels einschränken…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann man nicht allgemein formulieren. Bei der medikamentösen Behandlung einer Grunderkrankung wie CED, muss immer berücksichtigt werden, dass der verabreichte Wirkstoff zur Therapie der CED bestimmte Organe beeinträchtigen kann. Ein Verhütungsmittel kann unter Umständen ein Organ wie die Leber zusätzlich belasten oder sich negativ auf die Knochendichte auswirken. Das alles spielt bei der Wahl des Verhütungsmittels eine Rolle und muss bei jeder Patientin individuell berücksichtigt werden. Insbesondere wenn die hormonelle Verhütung in einer bestimmten Krankheitsphase zu einer zusätzlichen Belastung wird, ist es wichtig, den Patientinnen Alternativen aufzuzeigen. In jedem Fall sollten auch sexuell übertragbare Krankheiten und der Schutz vor ihnen Teil des Gesprächs sein.“

Frage: Bei der Verhütung sollten ja beide Partner ihren Anteil haben…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das stimmt. Eine Beratung über Verhütungsmethoden sollte als eine partnerschaftliche Aufgabe gesehen und die Entscheidung über die Art der Methoden von beiden Partnern gemeinschaftlich getroffen werden.“

Vielen Dank Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack für dieses Gespräch.