Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) gehen nicht nur mit Beschwerden des Verdauungstrakts einher. Sie können sich auch in anderen Körperregionen bemerkbar machen, wie etwa den Augen, der Haut oder den Knochen und Gelenken.1 In verschiedenen Beiträgen haben wir Euch hierüber bereits berichtet. Wenn du zum Beispiel mehr zum Thema Osteoporose erfahren möchtest, lohnt es sich einen Blick in den Artikel Unterschätztes Risiko – mit den richtigen Maßnahmen Osteoporose vorbeugen zu werfen. Neue medizinische Erkenntnisse deuten darauf hin, dass sich die chronischen Entzündungen bei einer CED auch auf das Herz-Kreislauf-System auswirken können.2 Zu den Erkrankungen von Herz und Gefäßen – auch kardiovaskuläre Erkrankungen genannt – die mit CED in Verbindung gebracht wurden, zählen zum Beispiel Thromboembolien bzw. Thrombosen. Diese entstehen, wenn ein Blutgerinnsel (Thrombus) ein Gefäß verschließt.3,4 Ist hierbei eine Arterie betroffen (arterielle Thromboembolie, ATE), kann im schlimmsten Falle etwa ein Hirninfarkt die Folge sein, während ein Gerinnsel in einer Vene (venöse Thromboembolie, VTE) im Extremfall zur Lungenembolie führen kann.3 Untersuchungen bei CED-Betroffenen haben gezeigt, dass das Risiko für eine Venenthrombose doppelt so hoch ist, als bei gesunden Menschen.2 1-8 % der CED-Patient*innen sind von einer Thrombose betroffen.2 Dennoch wird dem Herzen und den Gefäßen von CED-Betroffenen selten Beachtung geschenkt.2 Dabei ist es wichtig ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko frühzeitig zu erkennen. Durch eine Anpassung der Lebens-weise und eine rechtzeitige medikamentöse Prophylaxe, können die Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen so weitestgehend verhindert werden. 

Ursachen für das kardiovaskuläre Risiko

Es ist noch nicht vollständig verstanden, wodurch dieses erhöhte kardiovaskuläre Risiko hervorgerufen wird – offenbar kann die Blutgerinnung bei CED-Betroffenen infolge der Autoimmunerkrankung und des chronischen Entzündungszustands gestört sein.2,5 Darüber hinaus kann die medikamentöse Behandlung der CED in manchen Fällen als Nebenwirkung das kardiovaskuläre Risiko beeinflussen: So scheint die langfristige Einnahme von systemischen Kortikosteroiden mit einem erhöhten Thromboserisiko assoziiert zu sein.2,5 Mit welchen Nebenwirkungen eine solche langfristige Steroid-Einnahme im Rahmen deiner CED-Behandlung zudem einhergehen kann, erfährst du in dem Artikel Steroidabhängigkeit: Wenn aus einem kurzen Vor- ein langer Nachteil wird. Dies bedeutet aber natürlich nicht, dass du künftig auf deine CED-Therapie gänzlich verzichten sollst. Denn nur durch deine Therapie können schwerere Verläufen deiner CED vermieden werden, welche wiederum das kardiovaskuläre Risiko zusätzlich erhöhen würden.2 Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung deiner CED kann langfristig gar dazu beitragen das Risiko zu senken.

Aber auch deine Lebensweise an sich kann allgemein einen erheblichen Einfluss auf dein kardiovaskuläres Risiko haben. Zu den Faktoren, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen zählen etwa:6

  • Bluthochdruck
  • Diabetes mellitus
  • Übergewicht
  • Rauchen
  • Wenig Bewegung oder Sport
  • Ungesunde Ernährung 

Erhöhtes Risiko – was tun?

Durch ein gesundheitsbewusstes Verhalten, etwa indem du dich ausgewogen und gesund ernährst oder regelmäßig Sport treibst, kannst du bereits viel dafür tun, dein allgemeines kardiovaskuläres Risiko zu minimieren.6 Was es im Hinblick auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung insbesondere bei CED zu vermeiden gilt, erfährst du beispielsweise in dem Beitrag Junkfood unter Verdacht – Einfluss bei CED?. Ob dein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht ist und was du in diesem Fall am besten unternehmen solltest, klärst du am besten mit deiner Ärztin bzw. mit deinem Arzt ab. Bestimmte Therapien können, in Ergänzung zu einer gesunden Lebensweise, beispielsweise helfen dein Risiko  zu minimieren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen.6 
 

Sportlich #TrotzCED? – Wie körperliche Bewegung sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderaten Sport pro Woche. Doch würde diese Regel auch für CED-Betroffene gelten? Bislang gibt es keine einheitliche Empfehlung. Vieles
spricht aber dafür, dass Sport eine positive Auswirkung auf das körperliche sowie mentale Wohlbefinden
haben kann.1 Wir wollten mehr darüber erfahren und haben mit André Vieth, Kraftsporttrainer und CEDBetroffener,
gesprochen, um nach seinen Erfahrungen und seinem Leben mit Sport #TrotzCED zu fragen.

„CED – Nicht nur ein Fall für den Gastroenterologen“ – Tipps von der Spezialistin (Teil 2)

Frau Prof. Julia Seiderer-Nack, Internistin aus München, geht im nachfolgenden 2. Teil unserer kleinen Interview-Serie auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU), sowie auf das Thema Impfen ein.

„Hormonelle Verhütung #TrotzCED“ – Tipps von der Spezialistin

Verhütung ist ein Thema, mit dem sich vor allem junge Frauen in besonderer Weise beschäftigen. Bei der großen Auswahl an Verhütungsmethoden ist es nicht ganz einfach, die richtige Wahl zu treffen. Wenn dann aufgrund einer Grunderkrankung wie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) weitere Aspekte beachtet werden müssen, ist das persönliche Gespräch mit dem*der Ärzt*n ein wichtiger Schritt. 

Das nachfolgende Interview mit Frau Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin und Professorin an der KSH München, hat den Schwerpunkt Verhütung bei CED. Rund 80 % ihrer Patient*innen, die sie in ihrer internistischen Praxis behandelt, leiden an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und können sich in der Spezialsprechstunde beraten lassen.

Frage: Liebe Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack, wie alt sind Ihre Patientinnen und Patienten im Mittel, die Sie in Ihrer Praxis betreuen und welche Fragen beschäftigen Ihre Patient*innen?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Wir haben eine gemischte Altersstruktur: Zu uns kommen viele junge Frauen (und Männer) mit CED im Alter von 16-30 Jahren mit Fragen zu Verhütung, Sexualität und Kinderwunsch; ebenso gibt es aber auch ältere Patient*innen mit CED, die unsere Praxis wegen des ganzheitlichen Behandlungsansatzes, z. B. bei Wechseljahresbeschwerden, aufsuchen. Konkret bedeutet dies, dass wir neben Diagnostik und schulmedizinischer Therapie auch die Themen Ernährungsmedizin, Naturheilkunde und Ansätze der traditionellen chinesischen Medizin in die Behandlung der CED einfließen lassen.

Frage: Was sollten Patientinnen bei der Wahl eines Verhütungsmittels beachten? 

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Nicht jedes Verhütungsmittel ist für jede Patientin geeignet. Die Pille ist eines der sichersten Verhütungsmittel und die einfache Anwendung sehen gerade junge Patientinnen als Vorteil. Der Wirkstoff wird oral eingenommen und gelangt dann über den Dünndarm in den Blutkreislauf, wodurch die empfängnisverhütende Wirkung gegeben ist. Bei CED-Betroffenen gibt es aber einige Besonderheiten, die beachtet werden müssen: Durchfall, eine beschleunigte Magenpassage, das Befallsmuster der Erkrankung und die Stärke der Entzündung können die Wirkstoffaufnahme reduzieren oder verhindern und so die Wirkung der Pille mindern bzw. sie wirkungslos machen. Inwieweit die Pille für eine CED-Betroffene geeignet ist, muss individuell entschieden werden und zusätzlich mit dem behandelnden Gynäkologen bzw. der behandelnden Gynäkologin geklärt werden. Außerdem besteht, wie auch bei anderen hormonellen Verhütungsmethoden die Möglichkeit einer Thrombose.“

Frage: Und wie sieht es mit Ovulationshemmern in Form eines Rings oder Pflasters aus?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann für manche Patientinnen eine gute Alternative sein. Generell sollte man, wie gerade schon angesprochen, bei hormonellen Verhütungsmitteln jedoch beachten, dass diese mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen können. Auch für CED-Betroffene kann aufgrund ihrer Grunderkrankung ein erhöhtes Thromboserisiko bestehen.“ 

Frage: Das klingt, als würde die CED-Therapie die Wahl des Verhütungsmittels einschränken…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann man nicht allgemein formulieren. Bei der medikamentösen Behandlung einer Grunderkrankung wie CED, muss immer berücksichtigt werden, dass der verabreichte Wirkstoff zur Therapie der CED bestimmte Organe beeinträchtigen kann. Ein Verhütungsmittel kann unter Umständen ein Organ wie die Leber zusätzlich belasten oder sich negativ auf die Knochendichte auswirken. Das alles spielt bei der Wahl des Verhütungsmittels eine Rolle und muss bei jeder Patientin individuell berücksichtigt werden. Insbesondere wenn die hormonelle Verhütung in einer bestimmten Krankheitsphase zu einer zusätzlichen Belastung wird, ist es wichtig, den Patientinnen Alternativen aufzuzeigen. In jedem Fall sollten auch sexuell übertragbare Krankheiten und der Schutz vor ihnen Teil des Gesprächs sein.“

Frage: Bei der Verhütung sollten ja beide Partner ihren Anteil haben…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das stimmt. Eine Beratung über Verhütungsmethoden sollte als eine partnerschaftliche Aufgabe gesehen und die Entscheidung über die Art der Methoden von beiden Partnern gemeinschaftlich getroffen werden.“

Vielen Dank Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack für dieses Gespräch.