Vergleich normales Mikrobiom vs. krankes Darmmikrobiom bei CED

Schwer vorstellbar, doch in und auf deinem Körper leben bis zu 100 Billionen Mikroorganismen – z. B. auf deiner Haut und in deinem Verdauungstrakt.1,2 Zusammen bilden u. a. Bakterien, Pilze und Archaeen (siehe Abbildung) das menschliche Mikrobiom – die genaue Zusammensetzung ist individuell, doch machen Bakterien den Großteil aus.1,3,4 Welche Darmbakterien dabei mit eher positiven Effekten für dich einhergehen und welche als eher negativ gelten, erfährst du in unserem Artikel Bakterien im Darm – Billionen kleine Helfer. Die positiven Effekten, die Mikroorganismen für uns haben können, sind vielfältig: So unterstützen sie uns etwa bei der Nährstoffaufnahme oder bei der Abwehr von Krankheitserregern.1,3 Gerät das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht, kann das gesundheitliche Folgen für uns haben: Bei Patient*innen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist das Darmmikrobiom anders zusammengesetzt als bei Gesunden.1,3 Neue Erkenntnisse über die Rolle des Mikrobioms bei der Entstehung von CED bieten daher ggf. großes Potential für neue Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.

Pilze und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Pilze verbindest du möglicherweise mit etwas Negativem, wie Vaginal-, Fuß- oder Nagelpilz. Doch als nützlicher Bestandteil des Mikrobioms finden sich Pilze überall auf deinem Körper. Erst, wenn bestimmte Arten sich übermäßig vermehren und das Mikrobiom so aus dem Gleichweicht bringen, kann die Entwicklung von Krankheiten begünstigt werden. Auch bei der Entstehung einer CED scheinen Pilze eine Rolle zu spielen. Insbesondere die Gattung Candida – Hefepilze, die auch bei gesunden Personen u. a. Haut und Verdauungstrakt besiedeln – ist hier womöglich von Bedeutung.5,6 Einen Anhaltspunkt hierfür liefert die Beobachtung, dass bei Patient*innen mit Morbus Crohn der Pilz Candida tropicalis in einer deutlich höheren Konzentration vorkommt als im Mikrobiom gesunder Personen.6 Auch auf eine Colitis – also eine Entzündung im Darm – scheint die Infektion mit Candida tropicalis Auswirkungen zu haben: Eine aktuelle Studie konnte am Tiermodell zeigen, dass die Pilz-Infektion mit stärkeren Entzündungen im Darm einhergeht.6 Dazu wurde im Tiermodell zunächst eine Darmentzündung chemisch hervorgerufen – bei Tieren kommt diese natürlich nicht vor – und die Tiere dann mit dem Pilz Candida tropicalis infiziert. Die infizierten Tiere zeigten nicht nur stärkere Entzündungen, auch die Zusammensetzung ihres Mikrobioms änderte sich: Die Anzahl bestimmer Bakterienarten stieg nach der Candida-Infektion deutlich an.6 Diese Untersuchung liefert erste Hinweise darauf, dass ein Ungleichgewicht von Pilzen im Mikrobiom eine CED möglicherweise begünstigen könnte. Hier sind noch weitere Studien notwendig, um den Zusammenhang von Pilz-Infektionen und CED zu verstehen, woraus zukünftig vielleicht neue Behandlungsmethoden abgeleitet werden könnten.7 

Archaeen: Geringer Anteil – hohe Vielfalt

Die Bezeichnung Archaeen kennst du wahrscheinlich nicht – das wäre zumindest nicht verwunderlich, da diese Mikroorganismen selbst im Zusammenhang mit dem Mikrobiom selten erwähnt werden. Archaeen sind wie Bakterien Prokaryoten – also Lebewesen, die keinen Zellkern besitzen – doch unterscheiden sich u. a. ihre Zellstruktur und ihr Stoffwechsel.4,8 Zwar machen sie durchschnittlich nur ca. 1,2 % des Darmmikrobioms aus, doch konnte eine aktuelle Analyse zeigen, dass die Zusammensetzung der Archaeen im menschlichen Darm weit vielfältiger ist als zuvor angenommen wurde.4 Welche Rolle Archaeen bei der Entstehung einer CED spielen, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden. Doch steht bereits fest, dass sich Archaeen auf die Regulation das gesamte Mikrobioms auswirken und u. a. die Aktivität krankheitserregender Bakterien unterstützen können.3

Mikrobiom mit Potential für Diagnose und Therapie?

Von den Kontrollbesuchen bei deinem*r Gastroenterolog*in sind dir Biomarker sicherlich ein Begriff: C-reaktives Protein (CRP) und fäkales Calprotectin können beispielsweise dabei helfen, die CED-Aktivität und den Therapiefortschritt zu beurteilen. Doch handelt es sich hierbei um Entzündungsmarker, die nicht CED-spezifisch sind.9 Bestimmte Mikroben, die mit der CED-Entstehung zusammenhängen, könnten hier vielleicht in Zukunft als gezieltere Marker für die Darmerkrankungen dienen. Auch potentielle Therapie-Optionen lassen sich möglicherweise vom Darmmikrobiom ableiten: Zum einen könnte es sich positiv auf die Darmgesundheit auswirken, wenn Mikroorganismen mit eher negativen Effekten für deine Gesundheit gezielt abgetötet würden.9 Zum anderen könnte das Darmmikrobiom unterstützt werden, indem Mikroorganismen mit positiven Auswirkungen zugeführt würden. Dieses Ziel verfolgen u. a. Probiotika: Lebende Mikroorganismen gelangen über die Nahrung oder spezielle Präparate in den Darm und sollen dort wirken.9 Auch mit der Methode der Fäkalen Mikrobiota-Transplantation (FMT) oder auch Stuhltransplantation könnte das Darmmikrobiom womöglich positiv beeinflusst werden: Darmbakterien gesunder Spender gelangen in Form von Kapseln oder als Einlauf in den Darm der Patient*innen mit dem Ziel, sich dort anzusiedeln und für positive Effekte zu sorgen.9 Doch sind sowohl Probiotika als auch die Stuhltransplantation, bei der ein Risiko für die Übertragung von multiresistenten Erregern nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, noch nicht ausgereift. Weitere Untersuchungen müssen klären, welche Vorteile diese Methoden für die Darmgesundheit bringen und wie Risiken noch stärker minimiert werden können.
 

Sportlich #TrotzCED? – Wie körperliche Bewegung sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderaten Sport pro Woche. Doch würde diese Regel auch für CED-Betroffene gelten? Bislang gibt es keine einheitliche Empfehlung. Vieles
spricht aber dafür, dass Sport eine positive Auswirkung auf das körperliche sowie mentale Wohlbefinden
haben kann.1 Wir wollten mehr darüber erfahren und haben mit André Vieth, Kraftsporttrainer und CEDBetroffener,
gesprochen, um nach seinen Erfahrungen und seinem Leben mit Sport #TrotzCED zu fragen.

„CED – Nicht nur ein Fall für den Gastroenterologen“ – Tipps von der Spezialistin (Teil 2)

Frau Prof. Julia Seiderer-Nack, Internistin aus München, geht im nachfolgenden 2. Teil unserer kleinen Interview-Serie auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU), sowie auf das Thema Impfen ein.

„Hormonelle Verhütung #TrotzCED“ – Tipps von der Spezialistin

Verhütung ist ein Thema, mit dem sich vor allem junge Frauen in besonderer Weise beschäftigen. Bei der großen Auswahl an Verhütungsmethoden ist es nicht ganz einfach, die richtige Wahl zu treffen. Wenn dann aufgrund einer Grunderkrankung wie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) weitere Aspekte beachtet werden müssen, ist das persönliche Gespräch mit dem*der Ärzt*n ein wichtiger Schritt. 

Das nachfolgende Interview mit Frau Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin und Professorin an der KSH München, hat den Schwerpunkt Verhütung bei CED. Rund 80 % ihrer Patient*innen, die sie in ihrer internistischen Praxis behandelt, leiden an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und können sich in der Spezialsprechstunde beraten lassen.

Frage: Liebe Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack, wie alt sind Ihre Patientinnen und Patienten im Mittel, die Sie in Ihrer Praxis betreuen und welche Fragen beschäftigen Ihre Patient*innen?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Wir haben eine gemischte Altersstruktur: Zu uns kommen viele junge Frauen (und Männer) mit CED im Alter von 16-30 Jahren mit Fragen zu Verhütung, Sexualität und Kinderwunsch; ebenso gibt es aber auch ältere Patient*innen mit CED, die unsere Praxis wegen des ganzheitlichen Behandlungsansatzes, z. B. bei Wechseljahresbeschwerden, aufsuchen. Konkret bedeutet dies, dass wir neben Diagnostik und schulmedizinischer Therapie auch die Themen Ernährungsmedizin, Naturheilkunde und Ansätze der traditionellen chinesischen Medizin in die Behandlung der CED einfließen lassen.

Frage: Was sollten Patientinnen bei der Wahl eines Verhütungsmittels beachten? 

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Nicht jedes Verhütungsmittel ist für jede Patientin geeignet. Die Pille ist eines der sichersten Verhütungsmittel und die einfache Anwendung sehen gerade junge Patientinnen als Vorteil. Der Wirkstoff wird oral eingenommen und gelangt dann über den Dünndarm in den Blutkreislauf, wodurch die empfängnisverhütende Wirkung gegeben ist. Bei CED-Betroffenen gibt es aber einige Besonderheiten, die beachtet werden müssen: Durchfall, eine beschleunigte Magenpassage, das Befallsmuster der Erkrankung und die Stärke der Entzündung können die Wirkstoffaufnahme reduzieren oder verhindern und so die Wirkung der Pille mindern bzw. sie wirkungslos machen. Inwieweit die Pille für eine CED-Betroffene geeignet ist, muss individuell entschieden werden und zusätzlich mit dem behandelnden Gynäkologen bzw. der behandelnden Gynäkologin geklärt werden. Außerdem besteht, wie auch bei anderen hormonellen Verhütungsmethoden die Möglichkeit einer Thrombose.“

Frage: Und wie sieht es mit Ovulationshemmern in Form eines Rings oder Pflasters aus?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann für manche Patientinnen eine gute Alternative sein. Generell sollte man, wie gerade schon angesprochen, bei hormonellen Verhütungsmitteln jedoch beachten, dass diese mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen können. Auch für CED-Betroffene kann aufgrund ihrer Grunderkrankung ein erhöhtes Thromboserisiko bestehen.“ 

Frage: Das klingt, als würde die CED-Therapie die Wahl des Verhütungsmittels einschränken…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann man nicht allgemein formulieren. Bei der medikamentösen Behandlung einer Grunderkrankung wie CED, muss immer berücksichtigt werden, dass der verabreichte Wirkstoff zur Therapie der CED bestimmte Organe beeinträchtigen kann. Ein Verhütungsmittel kann unter Umständen ein Organ wie die Leber zusätzlich belasten oder sich negativ auf die Knochendichte auswirken. Das alles spielt bei der Wahl des Verhütungsmittels eine Rolle und muss bei jeder Patientin individuell berücksichtigt werden. Insbesondere wenn die hormonelle Verhütung in einer bestimmten Krankheitsphase zu einer zusätzlichen Belastung wird, ist es wichtig, den Patientinnen Alternativen aufzuzeigen. In jedem Fall sollten auch sexuell übertragbare Krankheiten und der Schutz vor ihnen Teil des Gesprächs sein.“

Frage: Bei der Verhütung sollten ja beide Partner ihren Anteil haben…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das stimmt. Eine Beratung über Verhütungsmethoden sollte als eine partnerschaftliche Aufgabe gesehen und die Entscheidung über die Art der Methoden von beiden Partnern gemeinschaftlich getroffen werden.“

Vielen Dank Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack für dieses Gespräch.