Psychosomatik bei CED: Zusammenhang Psyche und Erkrankung

Vermehrter Stuhldrang, häufige Durchfälle, rektale Blutungen – die unterschiedlichen körperlichen Beschwerden von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) können Betroffene im Alltag einschränken und ihre Lebensqualität reduzieren.1 Auch an der Psyche gehen die Erkrankung und die damit einhergehenden Leiden oftmals nicht spurlos vorbei: CED-Patient*innen haben ein erhöhtes Risiko für bestimmte psychische Erkrankungen – z. B. zeigt jede*r vierte CED-Patient*in Symptome einer Depression und fast jede*r dritte Betroffene*r einer Angststörung.2,3,4 Dabei sind häufiger Patient*innen mit Morbus Crohn als mit Colitis ulcerosa betroffen. Im Geschlechtervergleich zeigt sich zudem, dass weibliche CED-Patientinnen öfter unter den psychiatrischen Erkrankungen leiden.3 Wenn du mehr zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden von CED erfahren möchtest, kannst du dies in unserem Beitrag Mann vs. Frau: Gibt es Unterschiede bei CED?

Wechselwirkung CED – Psyche

Verschiedene Faktoren können das Auftreten von psychischen Erkrankungen bei CED-Patient*innen beeinflussen: Eine hohe CED-Aktivität, mehrere vorherige Operationen oder vorhandene extraintestinale Manifestationen (Beschwerden außerhalb des Darms) machen eine Depression wahrscheinlicher.2 Grund für die enge Wechselwirkung von CED und Psyche kann u. a. die sogenannte Darm-Hirn-Achse sein – also die Verbindung zwischen Darm und Gehirn unter anderem über den Vagusnerv – über welche Darmbakterien mittels Stoffwechselprodukte das Nervensystem beeinflussen.4,5 Diese Beziehung von Darm und Psyche ist bidirektional – d. h. die Gefühlswelt kann auch den Verdauungstrakt beeinflussen. Patient*innen mit Depression leiden daher häufiger unter Darmbeschwerden – bei ihnen ist das CED-Risiko etwa doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung.4 

Leiden CED-Patient*innen zusätzlich unter einer psychischen Erkrankung, kann sich das nicht nur negativ auf ihre Lebensqualität auswirken. Auch auf den Verlauf ihrer CED kann dies nachteilige Effekte haben: Krankheitsrückfälle treten häufiger auf und Betroffene berichten trotz geringer Entzündungsaktivität von stärkeren Beschwerden.2,3,5 Auch auf den Behandlungserfolg der CED können psychische Erkrankungen einen negativen Effekt haben: So sind Betroffene z. B. weniger adhärent – halten sich also weniger an die Behandlungsvorgaben und -ziele, die sie gemeinsam mit ihren behandelnden Ärzt*innen vereinbart haben. Im Krankheitsverlauf kann es bei ihnen darüber hinaus sogar häufiger zu Krankenhausaufenthalten und Operationen kommen.4,5 Welche Auswirkung die Diagnose CED und Depression auf das persönliche Leben haben kann, berichtet ein Patient in unserem Beitrag Diagnose unheilbar krank – Gürkans Geschichte zwischen Colitis ulcerosa und Depressionen.

Psychotherapie: Unterstützung für Körper und Geist

Doch keine Sorge: Auch wenn es sich bei einer Depression oder einer Angststörung um ernste Erkrankungen handelt, können sie effektiv mit Medikamenten und / oder Psychotherapie behandelt werden. Dies kann sich nicht nur positiv auf die psychischen Symptome auswirken – auch die CED kann von einer psychotherapeutischen Begleitung profitieren: Die Darmbeschwerden der CED-Patient*innen können gelindert, die Krankheitsaktivität reduziert und die Krankheitsbewältigung verbessert werden. Hier stehen verschiedene Therapieformen zur Verfügung wie u. a. kognitive Verhaltenstherapie, aber auch Hypnose oder Achtsamkeitsübungen können wirksam sein.

Auch psychosomatische Unterstützung kann für CED-Patient*innen hilfreich sein, denn in der Psychosomatik wird der Mensch als Einheit aus Körper, Geist und Seele verstanden, die gleichermaßen an der Entstehung, dem Verlauf und der Behandlung von Krankheiten beteiligt sind. Demnach können die körperlichen Leiden der CED die Psyche belasten – und umgekehrt.6 Früher wurden CED – insbesondere Colitis ulcerosa – sogar als psychosomatische Erkrankungen verstanden: Nach dem damaligen Verständnis haben psychische Faktoren direkt zur Entstehung der Darmbeschwerden geführt.7 Noch immer ist die Entstehung der CED nicht genau verstanden, doch handelt es sich um eine Kombination aus Genetik, Mikrobiom, Immunsystem und Umweltfaktoren.8 Heutzutage wird im Rahmen der Psychosomatik betrachtet, welchen Einfluss die Psyche auf den Umgang mit der Erkrankung hat und wie sich wiederum die Erkrankung auf die Psyche auswirkt. Die behandelnden Ärzt*innen sollten im Rahmen einer psychosomatischen Grundversorgung bei CED-Patient*innen u. a. prüfen und erfragen, wie diese ihren Alltag mit der Erkrankung meistern, inwiefern die Psyche belastet wird und ob die Betroffenen Ängste im Zusammenhang mit ihrer CED entwickeln.7

Wenn du den Eindruck hast, dass du stark im Alltag eingeschränkt bist und deine Lebensqualität reduziert ist, solltest du dich an deine Ärzt*innen wenden. Diese werden dich beraten, welche Unterstützungsangebote du zusätzlich zu deiner CED-Behandlung in Anspruch nehmen kannst. Auch der Austausch mit anderen CED-Betroffenen – z. B. im Rahmen von Selbsthilfegruppen – kann hilfreich sein, um u. a. Anregungen für den Umgang mit der Erkrankung im Alltag zu erhalten. Tipps von Betroffenen für Betroffene findest du in unserem Beitrag Austausch auf Augenhöhe – Die Bedeutung von Kommunikation in der CED-Behandlung.

Sportlich #TrotzCED? – Wie körperliche Bewegung sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderaten Sport pro Woche. Doch würde diese Regel auch für CED-Betroffene gelten? Bislang gibt es keine einheitliche Empfehlung. Vieles
spricht aber dafür, dass Sport eine positive Auswirkung auf das körperliche sowie mentale Wohlbefinden
haben kann.1 Wir wollten mehr darüber erfahren und haben mit André Vieth, Kraftsporttrainer und CEDBetroffener,
gesprochen, um nach seinen Erfahrungen und seinem Leben mit Sport #TrotzCED zu fragen.

„CED – Nicht nur ein Fall für den Gastroenterologen“ – Tipps von der Spezialistin (Teil 2)

Frau Prof. Julia Seiderer-Nack, Internistin aus München, geht im nachfolgenden 2. Teil unserer kleinen Interview-Serie auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU), sowie auf das Thema Impfen ein.

„Hormonelle Verhütung #TrotzCED“ – Tipps von der Spezialistin

Verhütung ist ein Thema, mit dem sich vor allem junge Frauen in besonderer Weise beschäftigen. Bei der großen Auswahl an Verhütungsmethoden ist es nicht ganz einfach, die richtige Wahl zu treffen. Wenn dann aufgrund einer Grunderkrankung wie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) weitere Aspekte beachtet werden müssen, ist das persönliche Gespräch mit dem*der Ärzt*n ein wichtiger Schritt. 

Das nachfolgende Interview mit Frau Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin und Professorin an der KSH München, hat den Schwerpunkt Verhütung bei CED. Rund 80 % ihrer Patient*innen, die sie in ihrer internistischen Praxis behandelt, leiden an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und können sich in der Spezialsprechstunde beraten lassen.

Frage: Liebe Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack, wie alt sind Ihre Patientinnen und Patienten im Mittel, die Sie in Ihrer Praxis betreuen und welche Fragen beschäftigen Ihre Patient*innen?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Wir haben eine gemischte Altersstruktur: Zu uns kommen viele junge Frauen (und Männer) mit CED im Alter von 16-30 Jahren mit Fragen zu Verhütung, Sexualität und Kinderwunsch; ebenso gibt es aber auch ältere Patient*innen mit CED, die unsere Praxis wegen des ganzheitlichen Behandlungsansatzes, z. B. bei Wechseljahresbeschwerden, aufsuchen. Konkret bedeutet dies, dass wir neben Diagnostik und schulmedizinischer Therapie auch die Themen Ernährungsmedizin, Naturheilkunde und Ansätze der traditionellen chinesischen Medizin in die Behandlung der CED einfließen lassen.

Frage: Was sollten Patientinnen bei der Wahl eines Verhütungsmittels beachten? 

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Nicht jedes Verhütungsmittel ist für jede Patientin geeignet. Die Pille ist eines der sichersten Verhütungsmittel und die einfache Anwendung sehen gerade junge Patientinnen als Vorteil. Der Wirkstoff wird oral eingenommen und gelangt dann über den Dünndarm in den Blutkreislauf, wodurch die empfängnisverhütende Wirkung gegeben ist. Bei CED-Betroffenen gibt es aber einige Besonderheiten, die beachtet werden müssen: Durchfall, eine beschleunigte Magenpassage, das Befallsmuster der Erkrankung und die Stärke der Entzündung können die Wirkstoffaufnahme reduzieren oder verhindern und so die Wirkung der Pille mindern bzw. sie wirkungslos machen. Inwieweit die Pille für eine CED-Betroffene geeignet ist, muss individuell entschieden werden und zusätzlich mit dem behandelnden Gynäkologen bzw. der behandelnden Gynäkologin geklärt werden. Außerdem besteht, wie auch bei anderen hormonellen Verhütungsmethoden die Möglichkeit einer Thrombose.“

Frage: Und wie sieht es mit Ovulationshemmern in Form eines Rings oder Pflasters aus?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann für manche Patientinnen eine gute Alternative sein. Generell sollte man, wie gerade schon angesprochen, bei hormonellen Verhütungsmitteln jedoch beachten, dass diese mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen können. Auch für CED-Betroffene kann aufgrund ihrer Grunderkrankung ein erhöhtes Thromboserisiko bestehen.“ 

Frage: Das klingt, als würde die CED-Therapie die Wahl des Verhütungsmittels einschränken…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann man nicht allgemein formulieren. Bei der medikamentösen Behandlung einer Grunderkrankung wie CED, muss immer berücksichtigt werden, dass der verabreichte Wirkstoff zur Therapie der CED bestimmte Organe beeinträchtigen kann. Ein Verhütungsmittel kann unter Umständen ein Organ wie die Leber zusätzlich belasten oder sich negativ auf die Knochendichte auswirken. Das alles spielt bei der Wahl des Verhütungsmittels eine Rolle und muss bei jeder Patientin individuell berücksichtigt werden. Insbesondere wenn die hormonelle Verhütung in einer bestimmten Krankheitsphase zu einer zusätzlichen Belastung wird, ist es wichtig, den Patientinnen Alternativen aufzuzeigen. In jedem Fall sollten auch sexuell übertragbare Krankheiten und der Schutz vor ihnen Teil des Gesprächs sein.“

Frage: Bei der Verhütung sollten ja beide Partner ihren Anteil haben…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das stimmt. Eine Beratung über Verhütungsmethoden sollte als eine partnerschaftliche Aufgabe gesehen und die Entscheidung über die Art der Methoden von beiden Partnern gemeinschaftlich getroffen werden.“

Vielen Dank Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack für dieses Gespräch.