Mamasein mit Colitis ulcerosa

Ellen Helfrich hat eine kleine Tochter – und Colitis ulcerosa. Die Diagnose bekam sie erst nach der Schwangerschaft. Es folgt ein mehrjähriger Schub, verschiedene Krankenhausaufenthalte und letztendlich die Entfernung des Dickdarms. Und das alles mit einem Baby bzw. Kleinkind. In Teil 1 unserer Reihe „Elternsein #TrotzCED“ erzählt Ellen im Interview über Herausforderungen, Alltag sowie Extremsituationen als Mutter mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED). Diese neue Reihe gewährt persönliche Einblicke in das Leben von Eltern, die von CED betroffen sind und möchte zeigen, dass du nicht alleine mit dieser Situation bist. Idealerweise kannst du sogar den ein oder anderen Erfahrungswert auf dein Leben übertragen.

Frage: Wann traten bei dir erste Beschwerden aufgrund deiner Erkrankung auf und hattest du diese auch während deiner Schwangerschaft?

Ellen: „Ungefähr seit meinem 20. Lebensjahr hatte ich Symptome, die ich heute mit meiner Colitis ulcerosa in Verbindung bringe. Sie waren aber nie lebensbedrohlich und ich hatte mich damit arrangiert. Vor allem, indem ich meine Ernährung angepasst habe, wenn ich irgendetwas nicht vertragen habe. Als ich dann schwanger war, ging es mir tatsächlich erst mal besser: Meine Laktoseunverträglichkeit war zum Beispiel verschwunden und ich musste auch keine Medikamente mehr nehmen.“

Frage: Und wie ging es dann nach deiner Schwangerschaft weiter?

Ellen: „Nach der Schwangerschaft hatte ich Blutungen. Ich dachte erst: ‚Ach, das sind bestimmt diese Hämorrhoiden, die man manchmal nach der Schwangerschaft hat.‘ Aber als es immer schlimmer wurde, bin ich mit meiner Kleinen im Schlepptau zum Proktologen gegangen. Der sagte dann, dass der ganze Enddarm entzündet sei. Als die Ergebnisse der Proben kamen, wurde ich mit der Diagnose Colitis ulcerosa konfrontiert. Da war meine Tochter ca. 6 Monate alt. Ich hatte daraufhin einen sehr langen Schub, der über 3 Jahre oder länger anhielt.“

Frage: Hat sich deine CED auf das Stillen ausgewirkt?

Ellen: „Die ersten Tage ging alles ganz gut. Als wir aus dem Krankenhaus nach Hause kamen, hatte ich aber plötzlich nicht mehr genug Milch. Ich habe dann noch soviel gestillt, wie es ging und beigefüttert. Nach der Diagnose musste ich damit aufhören, weil ich angefangen habe, Medikamente zu nehmen. Ob meine Stillprobleme allerdings mit meiner CED zusammenhingen, konnte mir niemand sagen.“

Frage: Wie war es als frisch gebackene Mutter aufgrund der CED ins Krankenhaus zu müssen?

Ellen: „Einmal musste meine Tochter tatsächlich mit, weil es mir so schlecht ging, dass ich den Notarzt anrufen musste. Mein Mann war damals auf Dienstreise in China. Eine Freundin hat sich dann zusammen mit mir um sie gekümmert. Ich habe darauf gedrängt, dass ich schnell die Diagnose bekomme und mit ihr wieder nach Hause gehen kann. Dann wusste ich: Ich kann immer nur das Nötigste machen lassen, um nicht zu lange am Stück auszufallen. Ein anderes Mal bin ich völlig entkräftet ins Krankenhaus gekommen. Mein Mann hat sich in dieser Zeit um die Kleine gekümmert. Die beiden sind allerdings nachts ins Krankenhaus gekommen, weil meine Tochter überhaupt nicht geschlafen und sich die Seele aus dem Leib geschrien hat. Dann haben wir mit den Ärzten und der Station gesprochen, sodass mein Mann mit der Kleinen dableiben konnte. Das war wiederum für mich sehr schwer, weil ich mich ja erholen sollte. Aber letztendlich muss man da auch das Ganze sehen und ich habe mir selbst gesagt, dass ich einen Teil meiner Kraft für die Familie aufwenden muss, weil es einfach nicht anders geht. Der Schaden wäre einfach zu groß gewesen.“

Frage: Du warst dann noch mehrere Male im Krankenhaus, auch weil dir der Dickdarmarm entfernt werden musste. Was hat dir am meisten geholfen, diese Zeiten – besonders als Mutter einer damals 3-jährigen Tochter – zu überstehen?

Ellen: „Am meisten hat mir geholfen, dass ich mich allen Widrigkeiten zum Trotz auf meinen Mann verlassen konnte. Er hat sich in dieser Zeit hingebungsvoll um unsere Tochter gekümmert und war auch mental eine riesige Unterstützung für mich. Ich glaub jede Mutter denkt sich immer mal wieder: ‚Ich bin keine gute Mutter. Ich tue nicht genug und ich bin sowieso nicht genug für das Kind.‘ Das stimmt alles nicht. Es ist letztendlich immer eine Frage, was ich den Umständen entsprechend leisten kann. Ich bin ja keine schlechte Mutter, nur weil ich krank bin. Ich habe vor jedem Krankenhausaufenthalt viele Vorbereitungen getroffen, das hat mir geholfen. Meine Tochter war über Mittag in der Kita angemeldet, sodass sie dort versorgt war. Ich habe mit der Gruppenleiterin gesprochen und ihr gesagt, dass ich zu einer Operation muss und dass das für mein Kind vielleicht ein bisschen schwierig werden könnte. Außerdem habe ich mich noch mit ein paar Müttern ausgetauscht. Ich war einfach offen damit und fand es ganz toll, dass die anderen Mütter daraufhin gesagt haben: ‚Naja, wenn du jetzt ins Krankenhaus gehst, vielleicht möchte die Emmie mal mit zu uns kommen.‘ Meinem Mann habe ich einen Kalender geschrieben, damit er wusste, wann ich nicht da bin, was er wann machen muss, woran er denken muss und ich habe ihm wichtige Nummer notiert. Einmal habe ich auch eine Freundin von mir gefragt, ob sie mit meiner Tochter in ein Theaterstück geht. Dafür habe ich vorher mit Emmie die Kleider rausgesucht und in eine Tasche eingepackt. Im Nachhinein haben sie mir die Bilder des Theaterbesuchs geschickt. Für sie war das so besonders, weil sie mit jemand anderem unterwegs war. Und gleichzeitig war ich trotzdem irgendwie dabei. Ich wollte ihr auch diesen Schrecken nehmen, dass ich nicht da bin.“

Frage: Abgesehen von diesen Extremsituationen im Krankenhaus, wie war / ist es im Alltag mit CED Mutter zu sein?

Ellen: „In der akuten Phase, wenn ich am Tag 20-mal auf Toilette lief, wollte und musste sie halt mit. Genauso wie bei anderen Müttern auch. Manchmal war es aber wirklich ganz, ganz furchtbar. Wir waren zum Beispiel irgendwo in einem Kaufhaus und ich habe gemerkt, dass ich auf die Toilette muss. Dann ging es aber darum, dem Kind begreiflich zu machen: ‚Ich nehme dich jetzt mit.‘ Ich musste sie manchmal wirklich aus dem Wagen rausholen und mit mir zerren oder tragen, damit wir zur Toilette kommen. Danach konnte ich sie zum Glück immer direkt beruhigen und erklären, dass ich einfach keine Zeit habe. In dieser Phase habe ich versucht, besondere Momente zu schaffen. Es ist so als hätte ich einen Sack voll Energie und diesen Sack habe ich dann vielleicht einmal im Jahr auf ihren Geburtstag ausschütten können, weil ich nur dazu die Kraft hatte. Heute lasse ich jeden Tag ein bisschen was aus diesem Sack. Das kommt auch wieder von alleine. Wenn es mir schlecht ging, habe ich mich wirklich sehr isoliert. Allerdings konnte ich das aufgrund des Kindes nie ganz. Gott sei Dank! Daher sehe ich auch, dass Kinder eine riesen Chance bei so einer Krankheit sind, da man so irgendwie den Kontakt mit anderen hält.“

Vielen Dank Ellen für dieses Gespräch.

In Teil 2 und 3 unserer Reihe „Elternsein #TrotzCED“ spricht Ellen u. a. darüber, wie ihr Kind mit ihrer Erkrankung umgeht und wie sehr ihr Mann ihr in schwierigen Phasen eine Stütze war. Die Interviews findest du demnächst in unserer Newsrubrik.

Sportlich #TrotzCED? – Wie körperliche Bewegung sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten moderaten Sport pro Woche. Doch würde diese Regel auch für CED-Betroffene gelten? Bislang gibt es keine einheitliche Empfehlung. Vieles
spricht aber dafür, dass Sport eine positive Auswirkung auf das körperliche sowie mentale Wohlbefinden
haben kann.1 Wir wollten mehr darüber erfahren und haben mit André Vieth, Kraftsporttrainer und CEDBetroffener,
gesprochen, um nach seinen Erfahrungen und seinem Leben mit Sport #TrotzCED zu fragen.

„CED – Nicht nur ein Fall für den Gastroenterologen“ – Tipps von der Spezialistin (Teil 2)

Frau Prof. Julia Seiderer-Nack, Internistin aus München, geht im nachfolgenden 2. Teil unserer kleinen Interview-Serie auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU), sowie auf das Thema Impfen ein.

„Hormonelle Verhütung #TrotzCED“ – Tipps von der Spezialistin

Verhütung ist ein Thema, mit dem sich vor allem junge Frauen in besonderer Weise beschäftigen. Bei der großen Auswahl an Verhütungsmethoden ist es nicht ganz einfach, die richtige Wahl zu treffen. Wenn dann aufgrund einer Grunderkrankung wie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) weitere Aspekte beachtet werden müssen, ist das persönliche Gespräch mit dem*der Ärzt*n ein wichtiger Schritt. 

Das nachfolgende Interview mit Frau Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin und Professorin an der KSH München, hat den Schwerpunkt Verhütung bei CED. Rund 80 % ihrer Patient*innen, die sie in ihrer internistischen Praxis behandelt, leiden an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und können sich in der Spezialsprechstunde beraten lassen.

Frage: Liebe Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack, wie alt sind Ihre Patientinnen und Patienten im Mittel, die Sie in Ihrer Praxis betreuen und welche Fragen beschäftigen Ihre Patient*innen?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Wir haben eine gemischte Altersstruktur: Zu uns kommen viele junge Frauen (und Männer) mit CED im Alter von 16-30 Jahren mit Fragen zu Verhütung, Sexualität und Kinderwunsch; ebenso gibt es aber auch ältere Patient*innen mit CED, die unsere Praxis wegen des ganzheitlichen Behandlungsansatzes, z. B. bei Wechseljahresbeschwerden, aufsuchen. Konkret bedeutet dies, dass wir neben Diagnostik und schulmedizinischer Therapie auch die Themen Ernährungsmedizin, Naturheilkunde und Ansätze der traditionellen chinesischen Medizin in die Behandlung der CED einfließen lassen.

Frage: Was sollten Patientinnen bei der Wahl eines Verhütungsmittels beachten? 

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Nicht jedes Verhütungsmittel ist für jede Patientin geeignet. Die Pille ist eines der sichersten Verhütungsmittel und die einfache Anwendung sehen gerade junge Patientinnen als Vorteil. Der Wirkstoff wird oral eingenommen und gelangt dann über den Dünndarm in den Blutkreislauf, wodurch die empfängnisverhütende Wirkung gegeben ist. Bei CED-Betroffenen gibt es aber einige Besonderheiten, die beachtet werden müssen: Durchfall, eine beschleunigte Magenpassage, das Befallsmuster der Erkrankung und die Stärke der Entzündung können die Wirkstoffaufnahme reduzieren oder verhindern und so die Wirkung der Pille mindern bzw. sie wirkungslos machen. Inwieweit die Pille für eine CED-Betroffene geeignet ist, muss individuell entschieden werden und zusätzlich mit dem behandelnden Gynäkologen bzw. der behandelnden Gynäkologin geklärt werden. Außerdem besteht, wie auch bei anderen hormonellen Verhütungsmethoden die Möglichkeit einer Thrombose.“

Frage: Und wie sieht es mit Ovulationshemmern in Form eines Rings oder Pflasters aus?

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann für manche Patientinnen eine gute Alternative sein. Generell sollte man, wie gerade schon angesprochen, bei hormonellen Verhütungsmitteln jedoch beachten, dass diese mit einem erhöhten Thromboserisiko einhergehen können. Auch für CED-Betroffene kann aufgrund ihrer Grunderkrankung ein erhöhtes Thromboserisiko bestehen.“ 

Frage: Das klingt, als würde die CED-Therapie die Wahl des Verhütungsmittels einschränken…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das kann man nicht allgemein formulieren. Bei der medikamentösen Behandlung einer Grunderkrankung wie CED, muss immer berücksichtigt werden, dass der verabreichte Wirkstoff zur Therapie der CED bestimmte Organe beeinträchtigen kann. Ein Verhütungsmittel kann unter Umständen ein Organ wie die Leber zusätzlich belasten oder sich negativ auf die Knochendichte auswirken. Das alles spielt bei der Wahl des Verhütungsmittels eine Rolle und muss bei jeder Patientin individuell berücksichtigt werden. Insbesondere wenn die hormonelle Verhütung in einer bestimmten Krankheitsphase zu einer zusätzlichen Belastung wird, ist es wichtig, den Patientinnen Alternativen aufzuzeigen. In jedem Fall sollten auch sexuell übertragbare Krankheiten und der Schutz vor ihnen Teil des Gesprächs sein.“

Frage: Bei der Verhütung sollten ja beide Partner ihren Anteil haben…

Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack: „Das stimmt. Eine Beratung über Verhütungsmethoden sollte als eine partnerschaftliche Aufgabe gesehen und die Entscheidung über die Art der Methoden von beiden Partnern gemeinschaftlich getroffen werden.“

Vielen Dank Frau Prof. Dr. Seiderer-Nack für dieses Gespräch.